(2) Pillsbury,Harry Nelson - Lasker,Emanuel [D40]
St. Petersburg, 1896
[Richard Meyes]

Der Amerikaner H.N. Pillsburry war einer der leuchtenden Sterne am Schachfirmament. Sein sensationeller Sieg beim ersten internationalen Auftreten beim Weihnachtsturnier in Hasting 1895/96 vor dem frisch gekrönten Weltmeister E. Lasker brachte ihm einen Platz an der Weltspitze. Beim Turnier in St. Petersbrug im darauffolgenden Jahr führte er wieder deutlich vor Lasker und hätte er diese Partie gewonnen, so hätte Lasker ihm eine Herausvorderung zum Weltmeisterschaftswettkampf wohl kaum abschlagen können.

1.d4 d5 2.c4
Damengambit.

2...e6 3.Sc3 Sf6 4.Sf3 c5 5.Lg5 cxd4 6.Dxd4 Sc6 7.Dh4 Le7 8.0-0-0
Die lange Rochade verspricht ein scharfes Spiel.

8...Da5 9.e3 Ld7 10.Kb1 h6 11.cxd5 exd5 12.Sd4 0-0 13.Lxf6 Lxf6 14.Dh5 Sxd4 15.exd4 Le6 16.f4 Tac8 17.f5 Txc3!
Ein Qualitätsopfer, welches genaue Berechnungungen erfordert. [deutlich ruhiger war 17...Ld7 18.Df3 ]

18.fxe6!
[18.bxc3? Tc8-+ 19.Tc1 Db6+ 20.Lb5! (20.Ka1 führt laut Rybka witziger Weise zum Matt in 10 Zügen: 20...Txc3 21.Txc3 Dxd4 22.Df3 Lxf5 23.Kb2 Db4+ 24.Kc1 Lxc3 25.Dxc3 Dxc3+ 26.Kd1 Lc2+ 27.Kc1 (27.Ke2 d4 28.a4 De3# ) 27...Lb3+ 28.Kb1 Dc2+ 29.Ka1 Dxa2# ) 20...Dxb5+ 21.Ka1 Dd3-+ ]

18...Ta3!!
aus psychologischer Sicht ist dieser Zug wohl zurecht mit !! zu versehen. [etwas besser war 18...Tc6 ]

19.exf7+?
[die einzige Rettung ist 19.bxa3 Db6+ 20.Kc2 (20.Ka1 Lxd4+ 21.Txd4 Dxd4+ 22.Kb1 De4+ 23.Kb2 fxe6-+ ) 20...Tc8+ 21.Kd2 Dxd4+ 22.Ke1 (22.Ld3?? Tc2+ 23.Ke1 (23.Kxc2 Db2# ) 23...Df2# ) 22...De3+ 23.Le2 fxe6~~ ist unklar!]

19...Txf7 20.bxa3 Db6+ 21.Lb5!
ist sehr wichtig. Die Dame wird vom Bauer d4 abgelenkt. [21.Kc2 Tc7+ 22.Kd2 Dxd4+ 23.Ke1 Dc3+ 24.Td2 Te7+ 25.Le2 Lg5-+ ; 21.Ka1 Lxd4+ 22.Txd4 Dxd4+ 23.Kb1 De4+ 24.Ka1 De1+ 25.Kb2 Tf2+-+ ]

21...Dxb5+ 22.Ka1
Die taktischen Verwickelungen hatten zu dieser Zeit auf beiden Seiten bereits große Zeitnot zur Folge, sodass beide Spieler nicht mehr die besten Züge fanden.

22...Tc7
führt nur zum Remis. [besser war 22...Dc4! ]

23.Td2 Tc4 24.Thd1?
[24.Te1! Da5 25.Te8+ Kh7 26.Df5+ g6 27.Te7+ Lg7 (27...Lxe7 28.Df7+= ) 28.Txg7+ Kxg7 29.Dd7+= ]

24...Tc3
[besser war 24...Dc6 ]

25.Df5
[wiederum besser war hier 25.Te1 Tc8 ]

25...Dc4 26.Kb2
[26.Kb1 ]

26...Txa3!!
und schon wieder ...Ta3!!. Pillsburry konnte wohl kaum glauben, dass der Blitz zweimal an der gleichen Stelle einschlagen kann.

27.De6+ Kh7
[27...Kh8 muss früher oder später gespielt werden.]

28.Kxa3??
Pillsburry war so erschöpft, dass er die schwarze Schlusskombination nicht mehr entdecken konnte. [28.Df5+ Kg8 (28...Kh8 29.Kb1! Txa2 30.Txa2 Db3+= ) 29.De6+ Kh8 ]

28...Dc3+ 29.Ka4 b5+ 30.Kxb5 Dc4+ 31.Ka5 Ld8+ 32.Db6 Lxb6#
"[...] womit ein faszinierendes menschliches Drama und eine faszinierende Partie zu Ende geht" - Dr. H. Pfleger G. Kasparov schreibt zu dieser Partie: "An jenem Tag entschied sich Caissa für Lasker und wie wir heute wissen irrte die Schachgöttin nicht. Ihre vielleicht etwas grausame Wahl markierte eine Wende im Leben beider Spieler. Lasker, von seinem Siege in dieser Partie inspiriert, gewann das Turnier in überzeugender Manier. Später im gleichen Jahr zerschmetterte er Steinitz im Rückkampf um die Weltmeisterschaft. Er behielt den Titel für weitere 25 Jahre. Pillsburry dagegen brach nach diesem Desaster förmlich zusammen, verlor fünf von den nächsten acht Partien und beendete das Turnier als dritter hinter Steinitz. Er konnte nie wieder den gleichen Gipfel seiner Spielstärke erklimmen, wie in diesem gloreichen Jahr. Er starb acht Jahre später im Alter von nur 34 Jahren. Wer kann wissen, wie oft er diesen traumatischen Tag in St. Petersburg durchlebt hat und dabei an die verstrichenen Chancen denken musste, Chancen, die sein Leben so gründlich geändert hätten." 0-1