Der Amerikaner H.N. Pillsburry war einer der leuchtenden Sterne am Schachfirmament. Sein sensationeller Sieg beim ersten internationalen Auftreten beim Weihnachtsturnier in Hasting 1895/96 vor dem frisch gekrönten Weltmeister E. Lasker brachte ihm einen Platz an der Weltspitze. Beim Turnier in St. Petersbrug im darauffolgenden Jahr führte er wieder deutlich vor Lasker und hätte er diese Partie gewonnen, so hätte Lasker ihm eine Herausvorderung zum Weltmeisterschaftswettkampf wohl kaum abschlagen können.
1.d4
d5
2.c4
Damengambit.
2...e6
3.Sc3
Sf6
4.Sf3
c5
5.Lg5
cxd4
6.Dxd4
Sc6
7.Dh4
Le7
8.0-0-0
Die lange Rochade verspricht ein scharfes Spiel.
8...Da5
9.e3
Ld7
10.Kb1
h6
11.cxd5
exd5
12.Sd4
0-0
13.Lxf6
Lxf6
14.Dh5
Sxd4
15.exd4
Le6
16.f4
Tac8
17.f5
Txc3!
Ein Qualitätsopfer, welches genaue Berechnungungen erfordert. [deutlich ruhiger war 17...Ld7
18.Df3
]
18.fxe6!
[18.bxc3?
Tc8-+
19.Tc1
Db6+
20.Lb5!
(20.Ka1
führt laut Rybka witziger Weise zum Matt in 10 Zügen: 20...Txc3
21.Txc3
Dxd4
22.Df3
Lxf5
23.Kb2
Db4+
24.Kc1
Lxc3
25.Dxc3
Dxc3+
26.Kd1
Lc2+
27.Kc1
(27.Ke2
d4
28.a4
De3#
) 27...Lb3+
28.Kb1
Dc2+
29.Ka1
Dxa2#
) 20...Dxb5+
21.Ka1
Dd3-+
]
18...Ta3!!
aus psychologischer Sicht ist dieser Zug wohl zurecht mit !! zu versehen. [etwas besser war 18...Tc6
]
19.exf7+?
[die einzige Rettung ist 19.bxa3
Db6+
20.Kc2
(20.Ka1
Lxd4+
21.Txd4
Dxd4+
22.Kb1
De4+
23.Kb2
fxe6-+
) 20...Tc8+
21.Kd2
Dxd4+
22.Ke1
(22.Ld3??
Tc2+
23.Ke1
(23.Kxc2
Db2#
) 23...Df2#
) 22...De3+
23.Le2
fxe6~~
ist unklar!]
19...Txf7
20.bxa3
Db6+
21.Lb5!
ist sehr wichtig. Die Dame wird vom Bauer d4 abgelenkt. [21.Kc2
Tc7+
22.Kd2
Dxd4+
23.Ke1
Dc3+
24.Td2
Te7+
25.Le2
Lg5-+
; 21.Ka1
Lxd4+
22.Txd4
Dxd4+
23.Kb1
De4+
24.Ka1
De1+
25.Kb2
Tf2+-+
]
21...Dxb5+
22.Ka1
Die taktischen Verwickelungen hatten zu dieser Zeit auf beiden Seiten bereits große Zeitnot zur Folge, sodass beide Spieler nicht mehr die besten Züge fanden.
22...Tc7
führt nur zum Remis. [besser war 22...Dc4!
]
23.Td2
Tc4
24.Thd1?
[24.Te1!
Da5
25.Te8+
Kh7
26.Df5+
g6
27.Te7+
Lg7
(27...Lxe7
28.Df7+=
) 28.Txg7+
Kxg7
29.Dd7+=
]
24...Tc3
[besser war 24...Dc6
]
25.Df5
[wiederum besser war hier 25.Te1
Tc8
]
25...Dc4
26.Kb2
[26.Kb1
]
26...Txa3!!
und schon wieder ...Ta3!!. Pillsburry konnte wohl kaum glauben, dass der Blitz zweimal an der gleichen Stelle einschlagen kann.
27.De6+
Kh7
[27...Kh8
muss früher oder später gespielt werden.]
28.Kxa3??
Pillsburry war so erschöpft, dass er die schwarze Schlusskombination nicht mehr entdecken konnte. [28.Df5+
Kg8
(28...Kh8
29.Kb1!
Txa2
30.Txa2
Db3+=
) 29.De6+
Kh8
]
28...Dc3+
29.Ka4
b5+
30.Kxb5
Dc4+
31.Ka5
Ld8+
32.Db6
Lxb6#
"[...] womit ein faszinierendes menschliches Drama und eine faszinierende Partie zu Ende geht" - Dr. H. Pfleger G. Kasparov schreibt zu dieser Partie: "An jenem Tag entschied sich Caissa für Lasker und wie wir heute wissen irrte die Schachgöttin nicht. Ihre vielleicht etwas grausame Wahl markierte eine Wende im Leben beider Spieler. Lasker, von seinem Siege in dieser Partie inspiriert, gewann das Turnier in überzeugender Manier. Später im gleichen Jahr zerschmetterte er Steinitz im Rückkampf um die Weltmeisterschaft. Er behielt den Titel für weitere 25 Jahre. Pillsburry dagegen brach nach diesem Desaster förmlich zusammen, verlor fünf von den nächsten acht Partien und beendete das Turnier als dritter hinter Steinitz. Er konnte nie wieder den gleichen Gipfel seiner Spielstärke erklimmen, wie in diesem gloreichen Jahr. Er starb acht Jahre später im Alter von nur 34 Jahren. Wer kann wissen, wie oft er diesen traumatischen Tag in St. Petersburg durchlebt hat und dabei an die verstrichenen Chancen denken musste, Chancen, die sein Leben so gründlich geändert hätten." 0-1