Der fünfte Weltmeister Max Euwe, war ein vielseitiger Mann. Mathematiker, Ingenieur, Astronom, Computerfachmann und gegen Ende seines Lebens Präsident der FIDE. Euwe, seines Zeichens kein professioneller Schachspieler, besaß ein sehr tiefes Verständnis des Schachspiels und hatte ein exzellentes Gefühl für all seine Feinheiten. In seinen besten Jahren beschäftigte Euwe sich ausgiebig mit dem Übergang von der Eröffnung zum Mittelspiel, aber auch mit dem Endspiel. Seine größte Stärke war sein kombinatives Sehen. Aufgrund seines schachlichen Talents, dessen Ursprung rein taktischer Natur war, war Euwe in der Lage inkorrekte Kombinationen seiner Gegner zu erkennen und zu widerlegen, wie Aljechin einst bemerkte: "Er ist ein Taktiker, der sich dazu entschieden hat um jeden Preis ein guter Stratege zu sein." Nachfolgend die 26. Partie des Wettkampfes zwischen Euwe und Aljechin, zu dessen Zeitpunkt Euwe zum ersten Mal im Wettkampf mit 13:12 in Führung lag. Diese Partie, die auch als die Perle von Zandvoort bekannt ist, ist laut Kasparov Euwes größte kreative Errungenschaft des Wettkampfes, in welcher es Euwe gelang sich Aljechin in all seiner Pracht entgegenzustellen.
1.d4
e6
2.c4
f5!?
Ein interessante Wahl von Aljechin. Zum Zeitpunkt der Partie lag er zurück und musste mit Schwarz einiges riskieren, um sich die Möglichkeit auf einen Sieg zu erhalten.
3.g3
Lb4+
4.Ld2
Le7
ein typisches Manöver. "Der Läufer nimmt dem Königsspringer das Feld d2, was Schwarz zusätzliche Chancen einräumt, das wichtige Feld e4 zu besetzen. Zusätzliche wird die Deckung des d4-Bauern durch die Dame blockiert, was in einigen Varianten zu Komplikationen führen kann." - Euwe.
5.Lg2
Sf6
6.Sc3
0-0
7.Sf3
[ebenfalls möglich ist 7.Sh3!?
]
7...Se4
ist laut Kasparov "eine eher seltsame Behandlung der Holländischen Verteidigung". Es war besser, mit 7...d5 eine Stonewall-Struktur herbeizuführen, was das Hinlocken des Läufers nach d2 rechtfertigen würde. [7...d5
]
8.0-0
b6?!
"Eine dubiose Neuerung" - Kasparov. [Partie 24 verlief wie folgt: 8...Lf6
9.Sxe4
fxe4
10.Se1
Lxd4
11.Lxe4
Lxb2
12.Lxh7+
Kxh7
13.Dc2+
Kg8
14.Dxb2
Sc6
mit Ausgleich. - Kasparov.; 8...d5
; 8...d6
]
9.Dc2
[Es ist schwer zu verstehen, wieso Schwarz zulässt, was Weiß nicht spielt: 9.Sxe4!?
fxe4
10.Se5
denn jetzt funktioniert 10...d6?!
11.Lxe4
dxe5
12.Lxa8
mit der Idee 12...c6?
nicht wegen: 13.Lc3!
Dc7
14.d5+-
]
9...Lb7
10.Se5
Weiß nutzt sein extra Tempo, da der Läufer auf e7 noch nicht nach f6 gezogen hat. [10.d5!?
; 10.Tad1!?
]
10...Sxc3
11.Lxc3!
[11.Lxb7
Sxe2+
12.Kg2
Sxd4
13.Dd3
Sbc6
14.Sxc6
und jetzt ist 14...Sxc6
(14...dxc6
15.Lxa8
Dxa8
ist ebenfalls gut für Schwarz. - Euwe. 16.Dxd4??
c5+-+
) 15.Lxa8
Dxa8
gut für Schwarz. - Euwe. 16.Dxd7??
Se5+-+
]
11...Lxg2
12.Kxg2
Dc8
13.d5!
sichert einen leichten positionellen Vorteil, da sich die Möglichkeiten des Läufers auf c3 etwas verbessern und die des Läufers auf e7 etwas verschlechtern. - Euwe.
13...d6
sonst spielt Weiß f2-f4 gefolgt von e2-e4.
14.Sd3
e5
15.Kh1!?
ein amüsanter halb-Abwartezug, der die Bewertung der Stellung nicht beeinflusst. - Kasparov. Euwe dachte sich wohl, dass f2-f4 nicht davonrennt. [natürlich musste hier über 15.f4
e4
16.Sf2
Sd7
17.g4
nachgedacht werden, doch nach 17...Lf6!
(17...Sf6
18.e3!
) 18.g5
Lxc3
19.Dxc3
De8
hat Weiß nichts besonderes und sein Vorteil verschwindet, sobald Schwarz seine Figuren entwickelt. - Kasparov.]
15...c6
[falls 15...Sd7
dann 16.Sb4!
; und im Falle von 15...c5
kann Weiß mit 16.b4
den Damenflügel aufreißen, wo Schwarz zusammenzubrechen droht.]
16.Db3!
mit der Drohung 17.c5! bxc5 18. Sxe5 dxe5 19.d6+
16...Kh8
hällt die Spannung aufrecht. [möglich war 16...c5
doch nach 17.f4
e4
18.Se1
erreicht der Springer das starke Feld e3 über g2. - Euwe.]
17.f4
e4
18.Sb4!
mit der Absicht 19.dxc5 nebst 20.Sd5.
18...c5
19.Sc2
Sd7
20.Se3
Lf6
Aljechin bietet ein Springeropfer an und hofft durch die taktischen Verwicklungen die Oberhand zu gewinnen.
21.Sxf5!
Eine gesunde Kombination, die Weiß klaren Vorteil verschafft. Man kann diesen Zug kaum als Opfer bezeichnen, da Weiß adequat für die Figur entlohnt wird. - Euwe. #
21...Lxc3
22.Sxd6
Db8
23.Sxe4
Lf6
musste gespielt werden. [23...Ld4?!
24.Sg5!
(jedoch nicht: 24.e3?
Te8
25.exd4
Txe4
und Schwarz behällt die besseren Chancen.) ]
24.Sd2!
mit der Drohung e2-e4-e5 usw. Die Konsequenzen von Weiß' 21. Zug sind jetzt klar. Weiß hat drei mächtige Bauern von denen zwei verbundene Freibauern im Zentrum sind, deren Vorrücken Schwarz früher oder Später mindesten eine Figur kosten wird. - Euwe.
24...g5!
Zweifelsohne die beste Gegenchance. Schwarz muss versuchen Gegenspiel in form eines Königsangriffs zu erlangen. Der Nachteil ist jedoch, dass Weiß nun drei verbundene Freibauern hat, deren Vorrücken nicht zu verhindern ist. Zusätzlich wird die Platzierung des schwarzen Springers zunehmend unangenehmer. - Euwe.
25.e4
gxf4
26.gxf4
Ld4
27.e5
De8
28.e6
Tg8!
ein starker Zug, der Schwarz Gegenspiel gibt und die Möglichkeit die Initiative zu übernehmen. - Kasparov.
29.Sf3
laut Euwe nicht der stärkste Zug. [besser war: 29.Dh3!
was 1) den eigenen König schützt, 2) den Schwarzen König bedroht (Sd2-f3-g5) und 3) den Vormarsch der eigenen Bauern unterstützt. Schwarz ist hilflos: 29...Sf6
30.Sf3
Lxb2
31.Tab1
usw. - Euwe. Kasparov jedoch sieht keinen direkten Sieg für Weiß, denn nach 31...Ld4!
32.Sxd4
(32.Sg5
Tg7
ist ebenfalls unklar, da der Läufer noch am Leben ist.) 32...cxd4
sind die weißen Bauern blockiert und während Weiß damit beschäftigt ist den d4-Bauern zu fressen kann Schwarz seine figuren aktivieren. Zum Beispiel: 33.Dd3?!
Dg6!
34.Dxg6
Txg6
35.Tbd1
Tag8
36.Txd4
Sg4
37.Td2
Se3
38.Te1
Sxc4
und nun ist es Weiß der Probleme hat.; natürlich nicht 29.exd7?
De2!|^
]
29...Dg6
30.Tg1!
ein sehr starker Zug. Weiß opfert einen ganzen Turm. [30.Sg5
Se5!
mit vielversprechendem Gegenspel für Schwarz. - Euwe.]
30...Lxg1
31.Txg1
Df6?
verliert. - Kasparov. # [korrekt war 31...Df5
]
32.Sg5!
Tg7
Schwarz hat nichts besseres. [32...Txg5?
33.fxg5
Dd4
34.Dc3!+-
und die Freibauern gewinnen.; 32...h6?
funktioniert nicht 33.exd7
denn nach 33...hxg5??
gewinnt Weiß: 34.Dh3+
Kg7
35.Txg5+
Kf7
36.Tf5+-
]
33.exd7
Txd7
34.De3
Te7
[nicht aber 34...Dxb2
35.De6
- Euwe. Doch nach 35...Dg7
scheint es keinen direkten Gewinn zu geben. - Kasparov. Zum Beispiel: 36.Sf7+
Txf7
37.Txg7
Kxg7
38.De5+
Kg8
39.d6
Der weiße Vorteil ist jedoch nicht zu bestreiten.]
35.Se6
Tf8
[35...Dxb2
36.d6!
]
36.De5
führt zu einem gewonnenen Endspiel für Weiß, obwohl noch einige Kleinigkeiten zu beachten sind. - Euwe.
36...Dxe5
37.fxe5
Die folgenden Züge wurden in heftiger Zeitnot beider Spieler gespielt.
37...Tf5?!
[37...Txe6!
]
38.Te1
h6?!
[38...Txe6!
]
39.Sd8
Tf2
40.e6
Td2
41.Sc6
Te8
42.e7
b5
[42...Kg7
43.Te6
Txb2
44.d6
Td2
45.Se5+-
]
43.Sd8
Kg7
44.Sb7
Kf6
45.Te6+
Kg5
46.Sd6
Txe7
47.Se4++-
Der tapfere Springer hat in dieser Partie 19 von 47 Zügen gemacht. In einem Auszug des Berichtes über die 27. Partie heisst es: "Euwe war der erste der die Bühne betrat und begrüßte das Publikum mit einem erwärmenden Lächeln. Nach ihm kam Aljechin, ebenfalls lächelnd, doch jeder wusste, dass sich hinter diesem Lächeln das Verlangen nach Befriedigung einer grausamen und fanatischen Macht verbirgte. Die vielen hunderte Besucher beobachteten wie sich Aljechin ans Brett begab, mit einer seiner Katzen auf seinen Schultern sitzend. 'Schwarze Magie?!'. Wie dem auch sei, Aljechin gewann diese Partie und ließ den Ausgang des Wettkampfes bis zur letzten Partie offen, was den Holländer zur erschöpfenden Nervosität brachte." Nichts desto Trotz gelang es Euwe in der letzten und entscheidenden 29. Partie den wichtigen halben Punkt zu gewinnen, der ihn zum fünften Weltmeister machte. 1-0