Einer der größten in der Ruhmeshalle des Schachs belibt Alexander Aljechin. Nach der Oktoberrevolution 1917 soll ihm, der aus einer Moskauer Aristrokatenfamilie stammte, der Schachbegeisterte Troitzky selbst das Leben gerettet und die Ausreise aus Russland ermöglicht haben. Doch Aljechin war nicht nur einer der größten, sondern auch einer der besessensten aller Zeiten. Stundenlang konnte der promovierte Jurist in Cafés sitzen und Patzern beim Spiel zuschauen. Er war ein Mensch extremer Lebensgier, gefürchtet wegen seiner Herrschsucht und Wutausbrüche, berüchtigt wegen seiner Alkoholexszesse. Kurz vor seinem Tod im Frühjahr 1966 in Lisabon besucht er einen Bekannten und sagt ihm "Die Einsamkeit bringt mich um. Ich will Leben und Leben spüren, bring mich bitte irgendwo hin, wo es fröhlich ist." Der Bekannte bringt ihn in eine Musikhalle und Aljechin, er redet nur über Schach. Zwei Tage später stirbt er in seinem bescheidenen Hotelzimmer. Herzinfarkt... Selbstmord... in jedem Fall schwer alkoholkrank. Lange Zeit konnte sein Genie dem Alkoholdämon trotzen und phantastisches aufs Brett zaubern. Aljechin, das Vorbild Kasparovs, war einer der größten Kombinationskünstler aller Zeiten. Sein Gegner in der nachfolgenden Partie ist der Tschechische Meister Richard Reti, auf den grundlegende neue Prinzipien der Eröffnungsstrategie zurückgehen wie z.B. das zurückhaltende 1.g3 oder auch 1.Sf3.
1.g3
e5
2.Sf3
e4
3.Sd4
d5
4.d3
ironischer Weise nimmt die Eröffnung das Muster der Aljechin-Verteidigung mit vertauschten Farben an.
4...exd3
5.Dxd3
Sf6
6.Lg2
Lb4+
7.Ld2
Lxd2+
8.Sxd2
0-0
Beide Seiten spielen bis jetzt natürliche Entwicklungszüge.
9.c4!
typisch für eine derartige Eröffnungsstrategie (vgl. Grünfeld-Indische Verteidigung). Weiß überlässt seinem Gegenüber in der ersten Zügen das Zentrum, welches jedoch mit der Unterstützung des fianchettierten Läufers zeitig unter Beschuss genommen wird.
9...Sa6
[möglich war hier auch 9...c5!?
10.Sc2
d4
was dem Lg2 jedoch vorerst freie Bahn gibt.; oder 9...c5!?
10.S4b3
Sa6
11.cxd5
Sb4
mit einem ähnlichen Manöver wie in der Partie.]
10.cxd5
Sb4
11.Dc4
Sbxd5
12.S2b3
c6
13.0-0
Weiß schließt die Entwicklung ab.
13...Te8
14.Tfd1
Während Weiß auf Spiel in der offenen d-Linie setzt...
14...Lg4
...versucht Schwarz Druck über die halboffene e-Linie aufzubauen.
15.Td2
Dc8
mit der Intention den starken weißfeldrigen Läufer zu tauschen.
16.Sc5
Ein schönes Vorpostenfeld für den Springer. Wird dieser mittels b7-b6 vertrieben, so gewinnt der Läufer auf g2 entlang der Diagonalen h1-a8 enorm an Bedeutung. Außerdem versucht der Springer hier den Läufertausch zu verhindern, da der Bauer auf b7 dann hängt... oder etwa nicht?
16...Lh3!
17.Lf3!
[Falls 17.Lxh3
Dxh3
dann wäre 18.Sxb7?
in eine böse Falle getappt: 18...Sg4
19.Sf3
Sde3!
20.fxe3
Sxe3
21.Dxf7+!
und jetzt: 21...Kh8!
(jedoch auf keinen Fall: 21...Kxf7??
22.Sg5++-
) 22.Sh4
Tf8
23.Sd6!
Txf7
(die Idee 23...g5?
scheitert an 24.Td3!
) 24.Sxf7+
Kg8
25.Sg5
Dg4-/+
und Schwarz sollte dank seinen aktiven Figuren und dem offenen weißen König gewinnen.]
17...Lg4
18.Lg2
Lh3
19.Lf3
Lg4
Remis gefällig?
20.Lh1
Nein!
20...h5
Schwarz spielt am Königsflügel...
21.b4
und Weiß am Damenflügel.
21...a6
lässt das unangenehme e4 zu. [möglich war: 21...Sb6
22.Db3
Sbd7
doch hier muss Schwarz sich eventuell mit folgendem Abspiel zurechfinden. 23.Sxb7!?
Dxb7
24.Lxc6
Db6
25.Lxa8
Txa8
26.f3
mit asymmetrischer Materialverteilung. Es ist nicht so ganz klar, ob der zusätzliche Turm und die Möglichkeit ein starkes Zentrum mit e2-e4 aufzubauen die Abwesenheit des weißfeldrigen Läufers kompensieren.]
22.Tc1
[22.e4!
Sb6
23.Db3
Sbd7
24.f3
und nun: 24...Sxc5
25.bxc5
Ld7
In der erreichten Stellung sieht der weiße Läufer auf h1 nicht ganz glücklich aus, doch es ist fraglich ob sein Gegenstück auf d7 viel besser steht. In jedem Fall hat Weiß großen Raumvorteil am Damenflügel, mehr Einfluss im Zentrum und vor allem die Angriffsmarke b7 und sollte hier etwas besser stehen.; 22.e4!
Sb6
23.Db3
Sbd7
24.f3
oder aber: 24...Lh3
25.Lg2
Lxg2
26.Kxg2
Auch in dieser Variante sollte Weiß dank seiner Zentrumskontrolle und seinem Raumvorteil am Damenflügel etwas besser stehen.]
22...h4!
Der Anfang eines genialen Angriffs.
23.a4
hxg3
24.hxg3
Dc7!
möglicherweise war sich Reti dem Vorhaben seines Gegners garnicht bewusst.
25.b5
ganz folgerichtig. [immernoch möglich war hier 25.e4
]
25...axb5
26.axb5
# Beide Seiten haben ihre Bauern an den entsprechenden Flügeln vorgeschoben und nachdem der schwarze h-Bauer verschwunden ist fragt man sich, wie der Angriff weitergehen soll, zumal Weiß am Damenflügel klar die Oberhand hat. Die Abwesenheit des weißen h-Bauern jedoch bietet Platz für einige taktische Möglichkeiten.
26...Te3!!
Der Zug ist keineswegs das Ende für Weiß, doch wenn eine Partie 25 Züge lang genau nach Plan verläuft, und man dann solch ein Ding vor die Nase gesetzt bekommt ist es nicht leicht die richtige Verteidigung zu finden.
27.Sf3?!
Ist nicht die stärkste Verteidigung. Die Deckung des Bauern b5 wird zu sehr vernachlässigt und erlaubt es Schwarz nun die erstaunicher Weise unglückliche Platzierung der weißen Dame auszunutzen. [Vorteil konnte Weiß mit 27.Kh2
Lh5
28.Lf3
erhalten. (zum Remis führt. 28.fxe3?
Sxe3
29.Dc3
Sfg4+
30.Kh3
Sf2+=
mit Dauerschach, denn 31.Kh4??
geht matt: 31...Dd8+
32.Kxh5
g6+
33.Kh6
Seg4#
) ]
27...cxb5
28.Dxb5
Sc3!
Die weiße Dame ist gezwungen die Diagonale a6-f1 zu verlassen und die Deckung des e2-Bauern aufzugeben.
29.Dxb7
Dxb7
30.Sxb7
Sxe2+
# Aus der anfänglich ruhigen strategisch geprägten Partie ist ein einziger taktischer Sumpf geworden, in dem sich Aljechin nur allzu wohl fühlen musste.
31.Kh2
Schwarz hat nur einen Zug der den Gewinn sichert. Nach [möglich war vielleicht: 31.Kf1
doch dann: 31...Sxg3+!
32.fxg3
Lxf3
33.Lxf3
Txf3+
34.Kg2
Taa3
und Weiß hat den zwei verbundenen Bauern von Schwarz nicht mehr viel entgegenzusetzen.]
31...Se4!
scheint die taktische Sitiation nur für einen der beiden Spieler gut auszugehen. [nach 31...Sxc1
32.fxe3
ist nichts mehr los.; ebenfalls ist nach 31...Lxf3
32.Lxf3
Sxc1
33.fxe3
nicht mehr viel los.; und auch 31...Txf3
32.Txe2
führt nicht mehr zu viel.]
32.Tc4
Sxf2
[nun nicht: 32...Lxf3?
denn dann: 33.Txe4!
Lxe4
34.fxe3
Lxh1
35.Kxh1
Sxg3+
36.Kg2
und wieder ist nicht mehr allzuviel los.]
33.Lg2
Le6
[etwas direkter war war vielleicht. 33...Ta6!
mit der Drohung ...Th6+.]
34.Tcc2
Sg4+
mit einem tödlichen Abzugsschach.
35.Kh3
[35.Kh1?
führt zum Matt: 35...Ta1+
36.Lf1
Txf1+
37.Kg2
Tf2+
38.Kh1
Texf3!
39.Txe2
Th2+!
40.Kg1
(40.Txh2
Tf1+
41.Kg2
Se3#
) 40...Tf1+!
41.Kxf1
Th1+
42.Kg2
Ld5+
43.Te4
Lxe4#
]
35...Se5+
36.Kh2
Txf3!
37.Txe2
[37.Lxf3
Sxf3+-+
]
37...Sg4+
und noch einmal.
38.Kh3
Se3+
39.Kh2
Sxc2
40.Lxf3
[40.Txe6
Tf2-+
]
40...Sd4
41.Tf2
[41.Txe6
Sxe6-+
]
41...Sxf3+
42.Txf3
Ld5-+
und das Schicksal des Weißen ist besiegelt. 0-1